Samstag, 26. August 2017

Guten Morgen Trier!





Als ich im August einen Tag in Trier verbrachte, traf ich unter anderem Gerd Dahm, den Beauftragten der Menschen mit Behinderungen der Stadt Trier. Mit ihm sprach ich über die Barrierefreiheit dieser alten Römerstadt, die er als durchwachsen einschätzte. Er sagte mir, dass oftmals immer noch der Denkmalschutz gegenüber der Barrierefreiheit überwiege. Viel Kopfsteinpflaster sei verlegt und ein Toilettenkonzept fehle noch völlig. Relativ wenig Probleme gebe es aber bei der Gestaltung des barrierefreien ÖPNV.

SERVICE
Wer als Mensch mit einer Mobilitätseinschränkung weiterführende Informationen sucht,
kann hier schauen:
http://www.trier-info.de/barrierefreies-trier

Ich habe mich in diesem Zusammenhang erinnert, dass ich bereits im Jahre 2005 einen Artikel über "Rhein und Mosel" für das Magazin PARAPLEGIKER geschrieben habe, den ich an dieser Stelle noch einmal veröffentlichen möchte. Einziger Unterschied zu damals: Ich bin jetzt eher mit der Bahn als mit dem Auto unterwegs.




Reise zu Rhein und Mosel:

Wein und Romantik

Ich bin eine Vielreisende, und zwar aus Leidenschaft. Sobald ich ein paar Tage zu Hause verbracht habe, überfällt mich eine Unruhe und es zieht mich hinaus, um Neues kennen zu lernen, neue Landstriche und vor allem neue Menschen. Wegen meiner Gehbehinderung reise ich am Liebsten auf eigene Faust mit dem Auto. Auf die Weise komme ich überall hin, niemand muss auf mein langsames Gehtempo Rücksicht nehmen und ich kann soviel Gepäck mitnehmen, wie ich will.

Eines meiner Lieblingsreiseziele in Deutschland ist der Rhein. Vielleicht liegt das daran, dass ich selbst gern einen guten Tropfen trinke und mir das Temperament der Rheinländer so gefällt. Sicherlich ist es aber auch die einzigartige Landschaft mit ihren Weinbergen, den vielen Burgen und Schlössern und den verträumten kleinen Orten links und rechts des Weges.

Der Moselwein ist der Wein für den Karneval, er muss perlen, wenn er ins Glas kommt. Frisch und noch etwas rebellisch trinkt man den und vor allem nicht wenig. Die Weine vom Rhein hingegen soll man erst trinken, wenn sie ausgereift sind. Ich wollte den Unterschied herausfinden. Meine eigentliche Aufgabe bestand zwar nicht darin, Wein zu probieren, sondern Hotels und Sehenswürdigkeiten der Region auf ihre Barrierefreiheit zu prüfen. Aber warum sollte ich nicht das Nützliche mit dem Praktischen verbinden?

Ich bezog zunächst Quartier im Hotel „Haus Oberwinter“. Dieses Hotel liegt bei Remagen, 10 bis 15 Autominuten südlich von Bonn, auf einer kleinen Anhöhe. Nähert man sich aus Richtung Bonn, muss man die scharfe Kurve am Fuße der Anhöhe schon etwas geschickt nehmen. Doch oben angekommen, entschädigt der herrliche Blick auf den Rhein sofort. Ich konnte mich davon überzeugen, dass dieses Hotel gut für den Aufenthalt von Menschen mit Behinderungen, auch für Gruppen, geeignet ist. Mit dem Fahrstuhl erreicht man jede Etage des Hauses, die sanitären Anlagen der modernen Zimmer verfügen über die entsprechenden Haltegriffe, die Duschen sind unterfahrbar und das Schwimmbad des Hauses ist mit einem Lifter ausgestattet. Besonders gefiel mir allerdings, am Morgen die Frühnebel über dem Rhein aufsteigen zu sehen und den Abend auf der Terrasse bei einem Glas Wein ausklingen zu lassen.

Berollbare Ruinen
Am nächsten Morgen machte ich mich auf den Weg nach Trier, um auf den Spuren der Römer zu wandeln. Den Stadtführer für Menschen mit Behinderungen hatte ich vorher aufmerksam studiert. Das Thermometer zeigte bereits am Morgen weit über 20 Grad an. Ich befuhr ohne Eile die Bundesstraße 9 bis kurz vor Koblenz und genoss die Landschaft mit dem Rhein zur Linken und den Weinbergen zur Rechten. Dann wechselte ich auf die A 48 und überquerte schließlich die Mosel, kurz bevor ich Trier erreichte.



Als erstes besuchte ich die Kaiserthermen, laut Stadtführer teilweise für Rollstuhlfahrer zugänglich. Diese Ruine einer antiken Bäderanlage aus dem vierten Jahrhundert ist überraschend gut erhalten. Mühsam stieg ich die alte Steintreppe herab in die weit verzweigte wieder ausgegrabene luxuriöse Bäderkultur vergangener Tage. Diese unterirdischen Gewölbe sind natürlich für Rollstuhlfahrer nicht befahrbar. Die Ruine lässt sich aber auch von außen entdecken, um sich so einen Eindruck von der Lebensweise der Römer zu verschaffen, zumal der nahe gelegene Palastgarten mit dem Kurfürstlichen Palais zu einem Spaziergang einlädt.

Im Amphitheater werden die Spektakel der Gladiatoren- und Tierkämpfe erst in ein paar Tagen beginnen. Die Porta Nigra war leicht zu finden, schwarz und gewaltig stand sie mitten im Zentrum. Der Dom, die älteste deutsche Bischofskirche und die daneben liegenden Liebfrauenkirche bilden zusammen eine antike Doppelkirchenanlage. Beide sind gut berollbar. (Was man vom Karl-Marx-Geburtshaus nicht sagen kann; Anm.d.Red.)

Ich bummelte noch eine Weile durch die Gassen, kaufte Obst auf dem Hauptmarkt mit seinem Petrusbrunnen und den Fachwerkhäusern aus dem 16. und 17. Jahrhundert. In Trier schien es nicht diese hektische Geschäftigkeit zu geben wie in vielen anderen deutschen Städten, die Leute schlenderten gemächlich über Straßen und Plätze, saßen in einem der zahlreichen Straßencafés und manche gönnten sich schon jetzt einen Schoppen Wein in Vorfreude auf die bevorstehende Weinernte. Trier gilt als die Wiege deutscher Weinkultur. Alles, was sich in Deutschland auf Wein, Weingeschichte und -brauchtum bezieht, findet in Trier seinen Ursprung. 2 000 Jahre Weinanbau, Weinhandel und Weinkultur haben die Römerstadt geprägt. Irgendwann war ich völlig erschöpft, die Füße brannten. Ich freute mich darauf, zum Abendessen auf der Terrasse im „Haus Oberwinter“ einen kühlen Riesling zu trinken.

Trinken und sinnieren
Auch die Koblenzer Altstadt bietet zahlreiche Kulturdenkmäler und historische Bauwerke. Von der Preußischen Festungsanlage Ehrenbreitstein aus kann man 118 Meter in die Tiefe hinunter sehen auf das Deutsche Eck mit dem wieder errichteten Reiterdenkmal, dort wo sich Rhein und Mosel treffen. Das Hotel „Zum Stüffje“, das mitten im Stadtzentrum unweit vom Deutschen Eck liegt und über 10 rollstuhlfreundliche Zimmer verfügt, ist nur fünf Gehminuten entfernt vom Weindorf direkt am Rhein. In vier großzügigen Weinhäusern, deren idyllischer Mittelpunkt der Dorfplatz ist, kann man gesellige Stunden verbringen und Weine vom Rhein und von der Mosel ganz nach Herzenslust probieren.

Wer an den Rhein fährt, denkt natürlich unwillkürlich an die Loreley, die viel besungene Jungfrau auf dem Felsen über dem Rhein, die so viele Schiffer ins Verderben gestürzt hat. Der Loreleyfelsen war mit seinem Besucherzentrum und dem Landschaftspark eines der weltweiten Projekte der EXPO 2000 und wurde in diesem Zusammenhang barrierefrei gestaltet. Tatsächlich ist das gesamte Gelände gut berollbar, eine Behindertentoilette ist vorhanden und man kann auch aus der Perspektive eines Rollstuhlfahrers den Blick über das Rheintal genießen. Die Erlebnisausstellung vermittelt auf unterhaltsame Weise Wissenswertes über den Mythos Loreley, aber auch über alle Einzelheiten der Region.

Vom Besucherzentrum aus fuhr ich hinunter nach Goarshausen zu einer der Anlegestellen der Köln-Düsseldorfer Schifffahrtsgesellschaft. Als einzige Reederei befährt die KD täglich mehrfach die gesamte Strecke des UNESCO Welterbes Mittelrhein. Diese Reederei verfügt zum Teil über ganz moderne Schiffe, auf denen auch Rollstuhlfahrer bequem per Lift ans Oberdeck gelangen und den Blick auf die Landschaft wirklich genießen können. Seit dem 17. Juni letzten Jahres hat die KD-Schifffahrt ein neues Flaggschiff, „MS RheinEnergie“, das größte und modernste Flussschiff Europas.

Am letzten Tag meiner Erkundungstour ging es noch einmal an die Mosel. In Cochem erwartete mich ein buntes Gewimmel von Touristen, die sich fröhlich in den engen Gassen und auf den Märkten der Altstadt tummelten. Wahrzeichen der Region ist natürlich die weithin sichtbare Reichsburg, die hoch auf dem Felsen über dem Ort thront. Leider ist es für Rollstuhlfahrer so gut wie unmöglich, dort hinauf zu kommen. Der Shuttle-Bus bringt die Besucher hinauf, allerdings nur bis 300 Meter unterhalb der Burg. Doch dann folgt das schwierigste und steilste Stück auf Sandwegen.

Der Wein bestimmt das Leben im Cochemer Land. Nirgends gedeiht der Riesling vortrefflicher als an den steilen Schieferwänden der Mosel. Deshalb wird an jeder Ecke auch der Moselwein zum Kauf angeboten. Zu Hause kann man dann in Ruhe und ausgiebig vom Mosel und vom Rheingau trinken und darüber sinnieren, worin wohl die Unterschiede liegen…

Text & Fotos:
Margit Glasow


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