Dienstag, 8. August 2017


An einem Platz fernab des Alltags

                     Unterwegs in Koserow auf der Sonneninsel Usedom

(Copyright der Fotos: Marion Jarmer)



Der Nachmittag war schon angebrochen und die Sonne verbreitete gute Laune, als ich vor der Dorfkirche in Koserow diesen alten Stuhl entdeckte. Ein Ort zum Verweilen? Zum Platznehmen? Ich wollte die Koserower Kirche mit ihrer gepflegten Außenanlage und den drumherumstehenden kleinen Häuschen ein wenig länger auf mich wirken lassen - immerhin ist die Kirche bereits Ende des 13. Jahrhunderts als Feldsteinkirche erbaut worden und damit die älteste an der Usedomer Ostseeküste. Und so fragte ich einen älteren Herrn, der seinen Kopf gerade aus der Kirchentür steckte, ob ich mich hinsetzen dürfe.

"Aber schön vorsichtig sein", knurrte er mich an. Da ich mich aber nicht so leicht verschrecken lasse, erkundigte ich mich, ob er denn etwas mit der Kirche oder vielleicht sogar mit den darin stattfindenden Theateraufführungen zu tun habe. Meine Freunde aus Berlin, die ich an diesem Tag besuchte, hatten am Abend zuvor das Stück "Hering, Erbsenbrei und Gottes Wort" gesehen und waren höchst begeistert.




Beim Wort Theater wurde der Mann im grünen kurzärmeligen Hemd sogleich gesprächiger und erst recht, als ich ihn darum bat, mir doch ein wenig mehr darüber zu erzählen. Er setzte sich zu mir und schnell erfuhr ich, dass er der Regisseur Jürgen Kern des Schauspielensembles Klassik am Meer war. Vor 19 Jahre habe er bei einem Spaziergang durch den Ort den Pfarrer vor der Tür der Kirche getroffen und ihn gefragt, was dieser davon halte, in der Kirche Theater zu spielen. Der Pfarrer stimmte zu - zunächst für ein Jahr. Doch schnell setzte sich die Idee durch und seitdem öffnet das Theater jeden Sommer seine Pforten. Es werden Stücke wie „Faust“, „Jedermann“, „Galilei“ und „Nathan der Weise" aufgeführt. Erfolgreiche Schauspieler wie Andreas Schmidt-Schaller, Wolfgang Winkler, Renate Blume, Jürgen Zartmann und Peter Bause prägten und prägen die Aufführungen durch ihre Kunst. Zur Truppe gehört ebenfalls - was mich sehr erfreute - Karoline Anni-Reingraber (viele Rostocker kennen sicher noch ihre Mutter Renate Reingraber.)



Inzwischen habe sich Klassik am Meer zu einer festen Größe auf Usedom entwickelt. Viele Urlauber richteten ihren Urlaub nach dem Spielplan aus. Aber auch die Einheimischen werden zur Kultur hingeführt, sie habe inzwischen die Theaterlust gepackt: "Neulich", so Jürgen Kern, "sagte ein Automechaniker zu mir: `Ich muss dringend mal wieder zu euch ins Theater kommen. Man kann ja hier im Ort gar nicht mehr mitreden, wenn man nicht bei euch war.´"




Jedes Jahr stehe aber auch wieder die Frage im Raum, ob die ausgewählten Stücke beim Publikum ankommen. Wenn man fünf Karten am Abend weniger verkauft, mache sich das bei einem solch kleinen Theater schon bemerkbar, so der Regisseur. Aber wenn dann zum Beispiel am Ende einer Aufführung von "Minna von Barnhelm" alle 160 Zuschauer lachend aus der Kirche gehen, dann sei das wunderbar. "Die Leute sind am Theater interessiert, aber sie sind keine Theaterinteressenten. Wir spielen nicht für die FAZ."

In der Tat - mein Abstecher in der Kirche hatte mir noch einmal verdeutlicht, dass Koserow anders war als Ahlbeck und Heringsdorf, die touristischen Hochburgen auf Usedom. Nicht so mondän, nicht so kommerziell. Der Strand nicht so überlaufen von unzähligen Urlaubern. Und besonders der Spaziergang zum Achterwasser, vorbei an weidenden Kühen hinauf zum Deich und mit dem Blick über diese Lagune des Peenestroms, war wohltuend und machte meinen Kopf und mein Herz frei. Und wie entzückt war ich, als ich direkt über mir die Schreie der Kraniche hörte...








SERVICE:
Was ich natürlich am Ostseestrand von Koserow ausprobieren musste, war der Strandrollstuhl, der hier von der Kurverwaltung kostenlos ausgeliehen werden kann. Eine tolle Sache, wie ich finde. Allerdings kann man sich mit dem Rollstuhl nicht selbständig fortbewegen, jemand muss ihn ins Wasser ziehen. Das Gerät steht in der Saison am Hauptturm der Rettungsschwimmer. 


Nahe des Turmes befinden sich auch so genannte Behinderten-Strandkörbe, die für Rollstuhlfahrer über Bretter - aus einem umweltfreundlichen Gemisch aus Holz und Kunststoff - gut erreichbar sind. Ein Teil der Dünenaufgänge zur Ostsee ist stufenfrei angelegt. Auch der Zugang zur Seebrücke stellt keine Barriere dar.




Kulinarischer Tipp: Es war gar nicht so einfach, das richtige Restaurant auszuwählen. Meine Freunde und ich entschieden uns letztendlich für die Gaststätte "Bin Pottkieker" mit hauseigener Fleischerei direkt an der Koserower Hauptstraße. Ich habe selten einen so guten kalt geräucherten Lachs - aus eigegener Räucherei - gegessen. Und der Hackepeter, den ich ebenfalls probieren durfte, war absolut frisch.

Tipp für Übernachtung: Hotel Hanse-Kogge. http://www.hotelhansekogge.de/
Dieses Hotel dürfte vielen Menschen mit Mobilitätseingeschränkungen ein Begriff sein.
Das Hotel bietet einen Abholservice von der Haustür in einem barrierefreien Bus an.

ÖPNV barrierefrei: Die Usedomer Bäderbahn (UBB) ist ein Eisenbahnunternehmen auf der Ostseeinsel Usedom. Die Züge der UBB fahren stündlich von Stralsund über Züssow und Wolgast nach Zinnowitz. Die Bahnen sowie alle Bahnhöfe sind gewöhnlich durch Rampen barrierefrei. (Übrigens fahren Inhaber eines Schwerbehindertenausweise und dem Besitz einer Wertmarke sogar bis Swinemünde kostenfrei) 




Kritikpunkt: Karls Erlebnisdorf mit seiner überdimensionierten Kartoffelsackrutsche und weiteren kommerziellen Attraktionen braucht - so meine Meinung - niemand an diesem Platz. (Es war mir zuwider, das auch noch zu fotografieren.)

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