Montag, 6. November 2017

Kleine Festivalnachlese:

Nachdem gestern die DOK zu Ende gegangen ist, möchte ich Euch noch auf zwei bzw. drei Filme hinweisen, von denen hoffentlich zwei in die Kinos kommen.



(Quelle: DOK Leipzig 2017)


Zum einen auf die israelisch-deutsche Koproduktion „Muhi – Generally Temporary“. Erzählt wird die Geschichte des sechsjährigen Muhi aus dem Gazastreifen. In diesen kleinen Jungen habe ich mich sofort verliebt. Bitte schaut Euch auf Youtube das Lächeln dieses Jungen an, der sein ganzes bisheriges Leben in einem israelischen Krankenhaus verbrachte.


https://m.youtube.com/watch?v=8AfZl-GedyQ


Er leidet an einer Autoimmunkrankheit, aufgrund derer ihm mit zwei Jahren beide Füße und Hände amputiert werden mussten. Besonders beeindruckt hat mich an diesem Film die Darstellung der liebevollen Beziehung zwischen Muhi und seinem Großvater. Denn aufgrund des Konfliktes zwischen Israel und dem Gazastreifen als Teil des Palästinensischen Autonomiegebietes kann er nicht bei seiner Mutter leben.

Dieser ermutigende Film wurde am Sonnabend mit der Goldenen Taube im Deutschen Wettbewerb ausgezeichnet. Ich hoffe, wir können ihn bald im Kino sehen.




(Quelle: DOK Leipzig 2017)


Riesig freue ich mich auch darüber, dass der Film "Wildes Herz" von Charly Hübner, einem meiner Lieblingsschauspieler, und Sebastian Schultz vier Preise abgeräumt hat. Ein sehr authentischer Film, der beweist, dass Mecklenburg-Vorpommern noch "nicht komplett im Arsch" ist, wie es in einem der Songs der antifaschistischen Rockband "Feine Sahne Fischfilet" heißt. Jan "Monchi" Gorkow, der Protagonist des Films, hat einen weiten Weg hinter sich vom Hansa-Rostock-Hool zum Sänger der Band, die auch schon mal im Verfassungsschutzbericht des Landes auftauchte.


Zum Beispiel wegen eines Songs wie "Wut".

"Das Lied ist auch daraus entstanden, dass jeder Nazi-Marsch von der Polizei durchgeprügelt wurde,

selbst gegen die größten Blockaden. Wenn in Demmin vor fünf, sechs Jahren kein Mensch gegen die Nazis demonstriert hat, und jetzt da 500 Leute sich auf die Straße setzen, und die Polizei 200 Neonazis mit Fackelaufmarsch am 8. Mai, am Tag der Befreiung, durchprügeln mit Wasserwerfern, Landtagspolitikerinnen dort angreifen, Antifaschistinnen angreifen, dann hat man einfach das Gefühl von Hilflosigkeit und das Gefühl von 'Fick Dich, Bulle'."

Auf der Seite der DOK Leipzig heißt es dazu:

"Gegen diese Hilflosigkeit, die zur aktuellen Stimmung im ganzen Land passt, hilft ironischerweise: dieser Film. Helfen die Geschichte und das entschiedene Engagement von Monchi und seiner Band."

Der Film "Wildes Herz" steht meiner Meinung nach im krassen Gegensatz zu "Montags in Dresden". Der Film wurde auf der DOK in der Osthalle des Leipziger Hauptbahnhofs gezeigt. Die Plätze auf den Stühlen reichten nicht, auch nicht die auf den Treppen. Die Leute aller Altersgruppen saßen auf Kissen auf der Erde, viele standen, die Erwartung an den Film war groß. Meine zumindest jedoch wurde enttäuscht. Auch wenn die Regisseurin Sabine Michel versuchte, sich den Protagonisten sehr persönlich zu nähern - sie hat drei Pegida-Demonstranten über ein Jahr lang begleitet und sie sehr persönlich befragt. Überzeugen und die wirklichen Ursachen von Pegida aufdecken - das gelang ihr nur unzureichend.

Mein Hauptkritikpunkt an dem Film ist aber, dass Sabine Michel den Film beendet mit den Worten, sie hätte den Menschen zwar zugehört, sie teile aber deren Ängste nicht, das sei nicht ihre Welt. Sie werde deshalb wieder aus Dresden fortgehen. Einen Lösungsansatz bietet sie also nicht. Das wurde auch in der Diskussion klar, die im Anschluss an den Film stattfand und in der Sabine Michel mit Allgemeinplätzen auf die Wortbeiträge derjenigen anwortete, die die Ängste teilen bzw. bereit sind, Pegida etwas entgegen zu setzen.

Freitag, 3. November 2017

Abenteuer Deutsche Bahn - eine Fortsetzung 



Nach zwei fast perfekten Tagen hatte ich, nachdem ich meine Fahrkarte in der Hand hielt und nach Rostock mit dem IC ohne Umsteigen durchfahren wollte, irgendwie das Gefühl, dass es so nicht weiterging. Zwei Tage, an denen die Logistik für mich mit überall kurzen Wegen stimmte. Gut, Kleinigkeiten gibt es immer - zum Beispiel die Tür in dem von mir gebuchten Hotel (IBIS budget). Um sie zu öffnen, hätte ich eigentlich vorher drei Wochen in die Muckibude gehen müssen, so schwer war sie. Aber unter Einsatz aller meiner Kräfte gelang es mir.

Aber dann kam es dicke. Wir waren vielleicht eine halbe Stunde von Leipzig entfernt, als unser Zug zum Stehen kam. Lange erfuhren wir nicht den Grund. Schließlich kam die Durchsage, es gäbe einen Schaden am Triebwagen. Alle sollten aussteigen, durch die Unterführung zum anderen Bahnsteig gehen und dort auf den nächsten IC warten, der bis Berlin fahren sollte. Gesagt getan, ich stieg, wie die anderen Fahrgäste auch, aus dem Zug und lief die lange Rampe runter und auf der anderen Seite wieder hoch. Dort angekommen, erfuhr ich, dass der dort wartende Zug völlig überfüllt war und niemanden mehr mitnahm. Außerdem sei "unser" Zug doch wieder fahrbereit und wir sollten zurückgehen. In mir regte sich langsam Unmut, zumal ich mir Gedanken machte, ob ich den Zug auch rechtzeitig erreichen würde. Nur zu gut kannte ich die Mentalität der Leute in solchen Fällen, die dann einfach nur losstürmten. Wie sollte der Zugfahrer wissen, dass da noch eine lahme Ente hinterhergewatschelt kam?

Eine junge Frau mit einem kleinen Kind in einer Sportkarre sprach mich an, ob sie mir meinen Rucksack abnehmen könne. Ich nahm gern an, machte sie aber darauf aufmerksam, dass auch sie dann nicht so schnell sei. Das machte ihr allerdings nichts aus. Wir stiegen also wieder in den Zug, der sich tatsächlich nach einer Weile in Bewegung setzte. Wir hatten inzwischen eine Verspätung von 66 Minuten. Doch die Freude der Weiterfahrt währte nicht lange. Der Zug blieb erneut stehen und wir wurden aufgefordert, den Zug wieder zu verlassen und auf einen anderen Bahnsteig zu wechseln. Diesmal gab es keine Rampe, nur eine Treppe. Aber wieder war die junge Frau an meiner Seite und nahm mir wie selbstverständlich den Rucksack ab.

Wir stiegen in einen ICE, der ebenfalls völlig überfüllt war. Auf den Gängen standen überall Leute, so dass ich nur mit Mühe in den Zug hineinkam. Einer der Passagiere sprach ein junges Mädchen an, mir doch ihren Sitzplatz zu überlassen. Das tat sie auch und wir kamen tatsächlich in Berlin Hauptbahnhof an.  Super. Doch leider fahren momentan nur die ICs und ICEs ab Berlin Hauptbahnhof in Richtung Norden  durch. Mit dem Regio - und etwas anderes  fuhr um diese Zeit nicht mehr - kann man wegen einer Baustelle nur ab Oranienburg nach Rostock fahren. Das heißt, ab Hauptbahnhof musste ich  zunächst mit der S-Bahn nach Friedrichstraße, dort umsteigen und dann nach Oranienburg. Inzwischen ist es 22.38 Uhr. Ich hoffe, den Rest der Strecke schaffe ich ohne Zwischenfälle.

Sandmädchen - Die besondere Filmempfehlung



Manchmal, so erzählt Veronika Raila, fühle sie sich wie ein Monster. Wie ein wütendes Monster. Sie sei wütend, weil sie sich ausgegrenzt fühle. Die junge Frau will die Zuschauer deshalb auf eine Reise mitnehmen und ihnen die Inseln ihrer Wahrnehmung zeigen. Mark Michel, der Regisseur, ist dabei ihr Vermittler. Denn Veronika kann nicht sprechen. Sie kann nur über ihr Schreiben mit anderen Menschen in Kontakt treten. Sie lebt mit Autismus und schweren körperlichen Beeinträchtigungen. Die Ärzte hatten ihren Eltern nach der Geburt gesagt, dass sie so gut wie kein Gehirn hätte. Heute studiert sie Literatur und Theologie und schreibt Gedichte und Geschichten. 


“Ich habe nur das Schreiben um mich mitzuteilen, das Schreiben um meine Gefühle und Gedanken auszudrücken. Das Schreiben ist meine Verbindung zur Außenwelt – hätte ich dieses Schreiben nicht würde ich in der Tiefe eines vergessenen Brunnens sitzen", beschreibt Veronika auf der Internetseite www.sandmädchen.de ihre Situation.

Warum "Sandmädchen"? - Sand wird von Veronika als Metapher verwendet, denn Sand ist instabil, Sand zerbröselt. Das wird im Film sehr beeindruckend bildlich umgesetzt - zum einen durch die Sandmalereien von Anne Löper. Zum anderen dadurch, dass immer wieder Bilder vom Meeressand gezeigt werden - und Veronika auf diesem Sand wie in ihrem Element.

Auch wenn ich schon an vielen besonderen Lebenswegen Anteil nehmen konnte, hat mich das Schicksal von Veronika Raila zutiefst bewegt, insbesondere wie sie es schafft, so lebenszugewandt zu schreiben. Ich habe nach der Filmvorführung mit ihr Kontakt aufgenommen. Wir werden ein Interview per E-Mail führen und ich werde es in meinem Blog http://inklusiv.wordpress.com veröffentlichen.

Donnerstag, 2. November 2017

DOK Leipzig setzt auf Barrierefreiheit


Bildunterschrift: Nachdenklich - Gerald Schuster, Inklusionsbeauftragter der DOK, macht sich die Beantwortung meiner Fragen nicht leicht.

Dass die DOK, das Internationale Leipziger Dokumentar- und Animationsfestival, sich einen Inklusionsbeauftragten leistet, hätte ich nicht unbedingt vermutet. Doch tatsächlich widmet das Festival dem Thema Barrierefreiheit große Aufmerksamkeit. Nicht unbedingt in Hinblick auf die bauliche Zugänglichkeit der Kinos. Da muss man ganz klar sagen, dass die Leipziger Kinos nicht barrierefreier sind als die Kinos anderswo. Oft mangelt es einfach an ausreichend Plätzen für Rollstuhlfahrer, auch Induktionsschleifen findet man kaum. Wenn wir in diesem Fall von
Barrierefreiheit sprechen, geht es vor allem um die Zugänglichkeit der Filme für Menschen mit
Sinnesbeeinträchtigungen.

Für 13 Filme wurde zum Beispiel eine Audiodeskription erstellt. Viele Filme wurden untertitelt. Und in einer Reihe der Streifen sind die Protagonisten Menschen mit Behinderungen. Dabei steht aber nicht ihre Behinderung im Mittelpunkt. Es geht immer um ihre Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Widersprüchen.
Gerald Schuster gab mir bereitwillig Auskunft daüber, inwieweit das Festival das Publikum sensibilisieren kann, sprach über die Vorteile von Audiodeskriptionen und über die App GRETA und STARKS. Das komplette Interview könnt Ihr am 14. November um 13.00 Uhr auf Alex Berlin in der Sendung "Voll normal" hören.




Bildunterschrift: Gerald Schuster und Barbara Fickert im Gespräch über die Barrierefreiheit der DOK

Toll, dass Gerald mir Barbara Fickert vorstellte. Sie bloggt in "Blindgängerin" (www.blindgaengerin.com). Welch passender Name für einen Blog angesichts der Tatsache, dass sie selbst blind ist. Für die DOK kommentiert sie dort eine Reihe von Filmen.
Auch mit Ihr führte ich ein Interview, das am 14. November zu hören sein wird.